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AnalystenblogKIMichael Schiklang

ChatGPT ver­liert beim Schach­spie­len gegen ein Com­pu­ter­pro­gramm von 1977 – ein kur­zer Aus­flug in die Welt des Com­pu­ter­schachs und über die Gren­zen von KI 

18.06.2025

Ana­lys­ten­blog von Micha­el Schi­klang (Seni­or Ana­lyst, BARC)

Als Soft­ware­ana­lyst und ambi­tio­nier­ter (aber wenig erfolg­rei­cher) Hob­by­schach­spie­ler bin ich auf ein span­nen­des Expe­ri­ment auf­merk­sam gewor­den. Robert Jr. Caru­sa hat ein fast 50 Jah­re altes Schach­pro­gramm auf einer Emu­la­ti­on der dama­li­gen Hard­ware gegen ChatGPT eine eini­ge Par­tien Schach spie­len las­sen. ChatGPT hat haus­hoch ver­lo­ren und hat­te Pro­ble­me über­haupt die Schach­re­geln ein­zu­hal­ten (sie­he https://www.linkedin.com/posts/robert-jr-caruso-23080180_ai-chess-atari2600-activity-7337108175185145856-HSP0).  

Das Schach­spiel und Com­pu­ter­pro­gram­me

Bevor man sich das Ergeb­nis betrach­tet und Ablei­tun­gen zu KI im Geschäfts­um­feld zieht, soll­te man den Sach­ver­halt etwas genau­er ein­ord­nen. Bei dem Pro­gramm han­delt es sich um „Video Chess“ für den Ata­ri 2600. Der CPU der Spiel­kon­so­le von 1977 läuft auf einem Takt von 1.19 MHz. Moder­ne CPU-Ker­ne tak­ten (je nach Archi­tek­tur und Modell) jen­seits der 2.000 Mhz und rech­nen meist mit meh­re­ren Ker­nen par­al­lel. Das im Expe­ri­ment ver­wen­de­te Pro­gramm und die Hard­ware stam­men noch aus einer Zeit in der Schach­pro­gram­me von Ama­teu­ren schlag­bar waren. Moder­ne Schach­pro­gram­me auf han­dels­üb­li­chen PCs dage­gen sind von Men­schen nicht mehr besieg­bar – nicht ein­mal der Welt­meis­ter und die abso­lu­ten Top­spie­ler haben eine Chan­ce. Den Wen­de­punkt im Wett­kampf Mensch gegen Maschi­ne stell­te 1997 der zwei­te Wett­kampf zwi­schen dem Schach­com­pu­ter Deep Blue von IBM und dem dama­li­gen Schwach­welt­meis­ter Gar­ry Kas­pa­rov dar. Deep­Blue besieg­te den Men­schen – eine abso­lu­te Sen­sa­ti­on. In den Wett­kämp­fen danach schaff­ten die mensch­li­chen Top­spie­ler Ende der 90er / Anfang der 2000er maxi­mal ein Unent­schie­den. Da die Rech­ner und Pro­gram­me aber immer stär­ker wur­den, gab es in den letz­ten 10-20 Jah­ren kaum mehr Wett­kämp­fe. Die ein­hel­li­ge Mei­nung der Schach-Com­mu­ni­ty ist: Der Mensch hat kei­ne Chan­ce mehr gegen die Maschi­ne. 

Die Stär­ke eines Schach­spie­lers oder eines Pro­gramms wird in "Elo" gemes­sen. Zur Ein­ord­nung eini­ge Zah­len (Stand Mit­te Juni 25): 

  • Das Schach­pro­gramm Stock­fi­sh hat eine Elo-Zahl von ca. 3644 (abhän­gig von der Hard­ware) 
  • Der aktu­ell ers­te der Welt­rang­lis­te Magnus Carlsen hat ein Elo-Ran­king von 2837 
  • Video-Chess auf dem ATARI 2600 hat ein Elo-Ran­king von 1200  
  • Mei­ne Elo-Zahl dürf­te an guten Tagen bei etwa 1400 lie­gen  

Wir kön­nen zusam­men­fas­send fest­hal­ten: ChatGPT ist ein wirk­lich mise­ra­bler Schach­spie­ler. Jetzt mögen sich vie­le Leser Fra­gen: Was hat das mit Unter­neh­mens­soft­ware und Digi­tal Work­place zu tun? Eine gan­ze Men­ge.  

Fokus von ChatGPT

ChatGPT basiert auf einem Lar­ge Lan­guage Modell (LLM). Sol­che Model­le sind dafür kon­zi­piert Spra­che zu ver­ste­hen, Infor­ma­tio­nen zu recher­chie­ren und die­se in natür­li­cher Spra­che zu ver­mit­teln. Zudem kann ChatGPT inzwi­schen auch Bil­der aus Beschrei­bun­gen auf Basis der Engi­ne DALL·E 3 erstel­len – das Bild unter die­sem Bei­trag ist ein Bei­spiel hier­für. Mathe­ma­ti­sche Ope­ra­tio­nen sind zwar mög­lich, zäh­len aber nicht zu der Stär­ke von ChatGPT und LLMs im All­ge­mei­nen. Inso­fern war auch das Schach­spiel nicht wirk­lich fair: ChatGPT war nicht für die Auf­ga­be kon­zi­piert und ist ihr auch nicht gewach­sen.

Im Gegen­satz dazu basie­ren die meis­ten han­dels­üb­li­chen Schach­pro­gram­me auf mathe­ma­ti­schen Algo­rith­men, die für die mög­li­chen Züge berech­nen, wie gut die­se jeweils sind und so die bes­ten Züge ermit­teln. Schach ist ein „Pro­blem“, das sich sehr gut berech­nen lässt. (Zur Voll­stän­dig­keit sei erwähnt, dass es ande­re KI-Ansät­ze gibt, die auch im Schach sehr viel­ver­spre­chend sind wie z.B. Alpha­Ze­ro von Deep­Mind. Für die brei­te Mas­se an Schach­be­geis­ter­ten sind die klas­si­schen Pro­gram­me prak­ti­ka­bler, da sie kein Trai­ning benö­ti­gen, und voll­kom­men aus­rei­chend, da Men­schen eh nicht mehr mit­hal­ten kön­nen.) 

Über­trag der Erkennt­nis­se auf den Unter­neh­mens­ein­satz von KI

Was kann man für den Unter­neh­mens­ein­satz dar­aus ler­nen? KI ist nicht per­fekt und unter­schied­li­che KI-Model­le haben einen unter­schied­li­chen Fokus. Zudem gibt es immer noch Auf­ga­ben­stel­lun­gen, die sehr gut mit klas­si­schen mathe­ma­ti­schen Algo­rith­men lös­bar sind und für die es nicht unbe­dingt KI braucht. In unse­rer Tätig­keit als Bera­ter sehen wir aber oft, dass poten­zi­el­le Kun­den so auf das The­ma KI foku­siert sind, dass die Fra­ge nicht kor­rek­ter­wei­se lau­tet: „Wel­ches Werk­zeug brau­che ich, um ein bestimm­tes Pro­blem zu lösen?“, son­dern „Ich will KI ein­set­zen – bit­te sagt mir für was.“. Und hier liegt ein Pro­blem in vie­len Initia­ti­ven. Natür­lich macht es Sinn zu ana­ly­sie­ren, wel­che KI-Lösun­gen wel­che Pro­ble­me beson­ders gut lösen kön­nen und was bekann­te Ein­satz­sze­na­ri­en sind. Aber man kann doch nicht die eige­nen Pro­jek­te sowie die eige­ne IT-Stra­te­gie danach aus­rich­ten und sich die Zie­le prak­tisch durch die erhält­li­che Tech­no­lo­gie vor­ge­ben las­sen. Moder­ne KI-Sys­te­me sind sehr mäch­tig und wir­ken in man­chen Teil­be­rei­chen schon fast all­wis­send. Wie ChatGPT, das auf einen schier unend­li­chen Wis­sens­schatz zugreift, mit dem ich in nor­ma­ler Spra­che kom­mu­ni­zie­ren kann und das ist mir sehr oft gute Ant­wor­ten auf mei­ne Fra­gen lie­fert. In ande­ren Teil­be­rei­chen kön­nen die Sys­te­me aber auch schlech­te Ergeb­nis­se lie­fern. Wie ChatGPT beim Schach – was das Sys­tem mensch­lich betrach­tet, fast schon wie­der sym­pa­thisch macht. 

Kun­den soll­ten daher Fol­gen­des berück­sich­ti­gen: 

  • Es gibt nicht „die KI“ – son­dern ver­schie­de­ne Model­le und Lösun­gen 
  • Die ver­schie­de­nen KI-Lösun­gen haben meist einen kla­ren Fokus, ihre abso­lu­ten Stär­ken aber auch ganz kla­re Gren­zen 
  • Mathe­ma­ti­sche Ver­fah­ren und regel­ba­sier­te Lösun­gen kön­nen nach wie vor in vie­len Teil­ge­bie­ten sehr gute Ergeb­nis­se lie­fern 
  • Ver­schie­de­ne Ansät­ze kon­kur­rie­ren nicht zwangs­läu­fig, son­dern kön­nen sich teil­wei­se sehr gut ergän­zen 
  • Man soll­te immer tech­no­lo­gie­of­fen das bes­te Pro­dukt / den bes­ten Ansatz zur Lösung eines bestimm­ten Pro­blems suchen  

KI wird die Art und Wei­se wie wir in der Zukunft arbei­ten beein­flus­sen – sie ist aber nicht all­mäch­tig und stets zweck­ge­bun­den. Je bes­ser Kun­den ver­ste­hen, was die Sys­te­me tun und wo die Stär­ken lie­gen, umso bes­ser kön­nen Pro­jek­te umge­setzt wer­den.  

Ich wer­de jetzt für mei­nen Teil auf dem Dach­bo­den nach unse­rem alten ATARI 2600 suchen und mit etwas Glück schla­ge ich die­sen in einer schö­nen Par­tie Schach – zumin­dest wenn ich einen guten Tage habe.