Von Michael Schiklang
Die Migration von einem alten in ein neues ECM-System ist eine nicht zu unterschätzende Aufgabe.
Essentiell wichtig bei der Migration ist, dass alle relevanten Informationsobjekte übernommen und die Aufbewahrungspflichten eingehalten werden. Zudem muss sichergestellt werden, dass auch Strukturen, Prozesse und Rechte im neuen System abgebildet werden. Der betriebliche Ablauf darf durch die Migration nicht beeinträchtigt, weswegen klare Konzepte für die Übernahme und die Schulung der Mitarbeiter erstellt werden müssen.
Zu migrierende Inhalte
Bei der Migration ist es wichtig, dass alle relevanten Inhalte berücksichtigt werden.
Die meisten Systeme verfügen über Importer für die Massenübernahme von Dokumenten. Bei der Übernahme der Dokumente muss unbedingt darauf geachtet werden, dass deren Metadaten auch migriert werden und die Verknüpfung bestehen bleibt. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Dokumente korrekt verwaltet und auch die Regeln für die Compliance (Fristen, Rechtemanagement für den Zugriff) eingehalten werden. Die Übernahme von Metadaten ist technisch gesehen eine Datenkopie von einer Datenbank in eine andere Datenbank. Für diese Aufgabe gibt es entsprechende Schnittstellen. Bei der Übernahme muss darauf geachtet werden, dass bei unterschiedlichen Datenmodellen im Quell- und Zielsystem ein entsprechendes Mapping vorgenommen wird. Zudem muss auch sichergestellt sein, dass alle Aspekte (Status, Signaturen etc.) die im alten System abgebildet waren, sich auch im neuen System anlegen lassen. Inhaltliche und konzeptionelle Probleme müssen frühzeitig identifiziert und entsprechende Lösungen definiert werden.
Des Weiteren muss man Aufbewahrungs- und Löschfristen übernehmen. Nur so kann man garantieren, dass die Anforderungen an die Aufbewahrung und Vernichtung von Dokumenten durchgängig eingehalten werden.
Die Übernahme von Ablagestrukturen und Akten ist meist mit Projektaufwand verbunden. Die Höhe des Aufwands hängt davon ab, wie sehr sich die technischen Abbildungslogiken der beiden Systeme unterscheiden. Werden Akten im Alt- und Neusystem beispielsweise als eigene Informationsobjekte abgebildet, so ist die Migration viel einfacher, als wenn ein System die Akten nur auf Basis von Suchanfragen gegen die Metadaten kreiert. In diesem Fall müssen wieder entsprechende Mapping-Logiken gefunden werden, welche eine Übernahme ermöglichen.
Rollen und Rechte lassen sich meist nicht automatisch übernehmen und müssen neu angelegt werden. Grund hierfür ist, dass die Systeme teilweise komplett unterschiedlichen Logiken folgen und auch technisch anders funktionieren. Ist ein zentrales Nutzerverzeichnis vorhanden, lassen sich zumindest die Anwender wieder initial in das neue System importieren. Auch Workflows müssen in den meisten Fällen komplett neu definiert werden, da die technische Abbildung und das Vorgehen bei der Anlage bei vielen Lösungen unterschiedlich funktioniert. Hieraus ergibt sich aber die Chance, bestehende Abläufe kritisch zu hinterfragen und eventuell Verbesserungen durch das Prozess-Redesign herbeizuführen.
Werden im System sonstige ergänzende Daten gehalten (z. B. Datenkopien aus führenden Systemen oder eigene Datenbestände), muss sichergestellt werden, dass diese auch im neuen System zur Verfügung stehen.
Im Standard ist es meist nicht möglich, Annotationen, welche in einer eigenen Schicht vorliegen, automatisch zu übernehmen. Grund hierfür ist, dass es keinen Standard für die Abbildung von Annotationen gibt. Auf dem Dokument eingebrannte Annotationen dagegen werden beim Dokumentenimport übernommen.
Migrationsszenarien
Grundsätzlich gibt es verschiedene Migrationsszenarien. Bei der harten Migration werden alle Inhalte auf einmal übernommen. Während der Übernahme können die Anwender nicht arbeiten. Nach der Übernahme wird das Altsystem abgeschaltet. Dieses Vorgehen funktioniert aber nur bei Systemen mit relativ wenigen Inhalten. Bei größeren Installationen ist sowohl der konzeptionelle Aufwand als auch die im Rahmen der Übernahme entstehende Downtime zu hoch.
Alle anderen Szenarien basieren auf einem Parallelbetrieb. So kann man z. B. den Umzug bereichs- oder themenweise gestalten und in Form verschiedener Teilprojekte realisieren. Beispielsweise könnten in einem ersten Schritt alle Dokumente der Buchhaltung übernommen werden. Alternativ kann auch nur ein definierter Teil der Inhalte (z. B. die Dokumente und Akten der letzten 5 Jahre) migriert werden. Ältere Daten liegen im Altsystem, welches nur noch einen lesenden Zugriff gestattet. Rufen die Anwender Inhalte aus dem Altarchiv auf und bearbeiten diese weiter, müssen sie diese im neuen Archiv speichern.
Eine weitere Möglichkeit ist, dass das neue System das alte Repository direkt einbinden kann. Der Vorteil dieser Methode ist, dass keine Informationsobjekte übernommen werden müssen. Im Gegensatz dazu werden die Metadaten aber meist migriert und in die eigene Indexdatenbank übernommen.
Natürlich sind auch verschiedene Mischformen realisierbar. An dieser Stelle kann keine pauschale Empfehlung abgegeben werden, welches Szenario grundsätzlich am besten für einen jeweiligen Kunden geeignet ist, da dies von der jeweiligen Ausgangsituation in den Unternehmen abhängt.
Schnittstellen
War das Altsystem über Schnittstellen mit führenden Anwendungen verbunden, muss das neue System auch über Schnittstellen in die entsprechenden Applikationen integriert werden. Wichtig ist, dass verknüpfte Objekte auch nach der Migration weiter miteinander verbunden sind. Werden z. B. Business-Objekte in SAP mit Dokumenten im Archiv verlinkt, darf diese Verknüpfung nicht durch die Migration verloren gehen. Es bedeutet, dass auch sichergestellt werden muss, dass die für die Zuordnung relevanten Schlüsselattribute (z. B. die Dokumenten-ID) übernommen werden. Wurden Funktionen des alten ECM-Systems in die führenden Anwendungen integriert (z. B. die Archivsuche), sollte auch über das neue System möglichst der gleiche Funktionsumfang zur Verfügung gestellt werden.
Vorgehen bei der Migration
Die Migration von ECM-Systemen ist meisten mit einem relativ hohen Aufwand verbunden und kein triviales Unterfangen. Insofern sollte die Migration als klar strukturiertes Projekt umgesetzt werden, welches auf einer klaren Planung und Strategie basiert. Im Rahmen der Planung sollte der Verantwortliche für das Thema Compliance rechtzeitig eingebunden werden. Es gilt die Migration so zu gestalten, dass Aufbewahrungspflichten nicht verletzt und durchgängig dokumentiert werden. Zudem ist es sehr wichtig, dass die Mitarbeiter rechtzeitig Schulungen für das neue System erhalten und dass im Unternehmen die genaue Projektplanung kommuniziert wird. Bei einem Parallelbetrieb der neuen und der alten Lösungen muss es klare Konzepte geben, welche festlegen, wo welche Inhalte liegen und wie mit den Systemen zu arbeiten ist.
Im Vorfeld der Migration sollte die Übernahme auf den Test- und Entwicklungssystemen ausgiebig getestet werden. So lassen sich frühzeitig technische Stolpersteine identifizieren und Lösungen für diese finden. Nach und während der Migration ist unbedingt zu prüfen, ob die übernommenen Inhalte fehlerfrei im neuen System zur Verfügung stehen. Hierfür sollten geeignete Stichproben definiert werden.
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