Skip to main content
AnalystenblogInput ManagementInvoicingMichael Schiklang

Next­cloud Workspace – eine euro­päi­sche Alter­na­ti­ve zu Micro­soft 365?

12.06.2025

Ana­lys­ten­blog von Micha­el Schi­klang (Seni­or Ana­lyst, BARC)

Aktu­ell wird der Ein­satz ame­ri­ka­ni­scher Cloud-Ser­vices von euro­päi­schen Unter­neh­men in Euro­pa sehr kri­tisch dis­ku­tiert. Sowohl die Abhän­gig­keit von ame­ri­ka­ni­schen Unter­neh­men als auch die Sor­ge um die Sicher­heit von Daten ste­hen im Fokus der Kri­tik, da die Geset­ze zum Daten­schutz in den USA deut­lich schwä­cher sind als die in Euro­pa. Außer­dem wird der „Cloud Act“, ein ame­ri­ka­ni­sches Gesetz, das US-Behör­den den Zugriff auf außer­halb der USA von ame­ri­ka­ni­schen IT-Unter­neh­men gespei­cher­te Daten erlaubt, bemän­gelt. Der Cloud Act gilt auch für in Euro­pa betrie­be­ne Rechen­zen­tren und umfasst auch die loka­len Toch­ter­un­ter­neh­men der ame­ri­ka­ni­schen IT-Fir­men. Aus die­sem Grund wird der Ruf nach der Euro­päi­schen Daten­sou­ve­rä­ni­tät immer lau­ter und es gibt vie­le Dis­kus­sio­nen dar­über, war­um Euro­päi­sche Fir­men nicht ver­gleich­ba­re Ange­bo­te wie US-Fir­men offe­rie­ren kön­nen.

Koope­ra­ti­on zwi­schen IONOS und Next­cloud

Anfang Juni kün­dig­te das deut­sche Soft­ware­un­ter­neh­men „Next­cloud“ zusam­men mit dem deut­schen Web­hos­ter „IONOS“ an, einen Online-Arbeits­platz unter dem Namen „Next­cloud Workspace“ zu ent­wi­ckeln, wel­cher eine daten­schutz­kon­for­me euro­päi­sche Alter­na­ti­ve zu Office 365 ist. Die Suite soll Pro­duk­te für E-Mail, Office, Ter­mi­ne, Chat, Video­kon­fe­ren­zen sowie KI beinhal­ten. Bei den Pro­duk­ten wird hier­bei voll auf Open-Source-Werk­zeu­ge gesetzt wer­den. Zu die­sem frü­hen Zeit­punkt ist noch nicht die abschlie­ßen­de Lis­te der ein­ge­setz­ten Pro­duk­te bekannt – aller­dings sol­len natür­lich etli­che eta­blier­te Tools von Next­cloud selbst als auch von dem Unter­neh­men Col­la­bo­ra, wel­cher Her­stel­ler der bekann­ten Open-Source-Office-Suite „Libre­Of­fice“ ist, ange­bo­ten wer­den. Im Zuge des­sen hat Next­cloud auch ein gro­ßes Update sei­nes Pro­dukts „Next­cloud Talk“ rea­li­siert, eine Platt­form für Video­kon­fe­ren­zen und Chats mit tie­fer Inte­gra­ti­on in die ande­ren Next­cloud-Pro­duk­te. Ziel ist die Eta­blie­rung einer DSGVO-kon­for­men Alter­na­ti­ve zu Micro­soft Teams. Der Betrieb und die Bereit­stel­lung des Ser­vices erfolgt über IONOS. Das Unter­neh­men ist einer der größ­ten euro­päi­schen Hos­ting- und Cloud-Anbie­ter und hat umfang­rei­che Erfah­run­gen im Bereich Mana­ged Ser­vices. IONOS bie­tet auch jetzt schon Ange­bo­te auf Basis von Next­cloud und Col­la­bo­ra an und ver­fügt in die­sem Bereich über eine hohe Exper­ti­se. 

Die Suite befin­det soll noch in 2025 final ver­öf­fent­licht wer­den und wird offen­siv als Alter­na­ti­ve zu MS Office 365 bewor­ben. Wird Next­cloud Work­place die­sem Ruf gerecht? Bevor die­se Fra­ge beant­wor­tet wird, muss fest­ge­hal­ten wer­den, dass das fina­le Pro­dukt noch nicht vor­liegt und erst dann eine end­gül­ti­ge Beur­tei­lung mög­lich ist. Aller­dings sind die wahr­schein­lich ver­wen­de­ten Soft­ware-Pro­duk­te leis­tungs­fä­hig und eta­bliert. Sowohl Libre­Of­fice als auch die ver­schie­de­nen Next­cloud-Modu­le sind Pro­duk­te, die seit vie­len Jah­ren ent­wi­ckelt und auch funk­tio­nal per­ma­nent erwei­tert wer­den. Die Her­aus­for­de­rung ist nun, die­se mäch­ti­gen Werk­zeu­ge logisch zu ver­knüp­fen, um einen durch­gän­gi­gen Work­flow zu ermög­li­chen. Zudem müs­sen ent­spre­chen­de Mana­ged Ser­vices bereit­ge­stellt und Sup­port­mo­del­le ange­bo­ten wer­den. Auch wenn die­se Auf­ga­ben her­aus­for­dernd sind, ist es IONOS und Next­cloud abso­lut zuzu­trau­en die­se sehr gut zu meis­tern. Bei­de Unter­neh­men haben umfang­rei­che Erfah­run­gen in ihren Gebie­ten und arbei­ten schon seit Jah­ren in vie­len Teil­be­rei­chen zusam­men.

Kann Next­cloud Workspace eine Alter­na­ti­ve zu Micro­soft 365 sein?

Was bedeu­tet das für mög­li­che Kun­den? Kann ein sol­ches Ange­bot eine wirk­li­che Alter­na­ti­ve zu MS 365 dar­stel­len? Unse­re Ein­schät­zung ist: „Ja, aber…“ 

„Ja“, weil die Pro­duk­te alle hohes Poten­ti­al haben und einen gro­ßen Teil der 365-Funk­tio­nen abde­cken kön­nen. 

„Aber“, weil der gro­ße Vor­teil von Micro­soft ja nicht nur die leis­tungs­fä­hi­ge 365-Suite an sich ist, son­dern auch die Inte­gra­ti­on in wei­te­re MS-Ser­vices. Als Bei­spie­le sind hier Power-BI für Busi­ness-Intel­li­gence als auch Azu­re Acti­ve Direc­to­ry für das Nut­zer- und Rech­te­ma­nage­ment zu nen­nen. Die Lis­te von wei­te­ren Ser­vices ist aber natür­lich deut­lich län­ger. Die Stra­te­gie von Micro­soft ist, Kun­den in ihr Öko­sys­tem zu ver­an­kern und immer neue Ser­vices anzu­bie­ten, damit man die Kun­den auch lang­fris­tig bin­det. Ein wei­te­rer Vor­teil von Micro­soft ist, dass vie­le ande­re Soft­ware­an­bie­ter die Pro­duk­te direkt adres­sie­ren. So gibt es bei­spiels­wei­se vie­le Fach­sys­te­me, die Doku­men­ten­vor­la­gen für die direk­te Ver­wen­dung in Office anbie­ten oder für File-Impor­te das Excel- oder CSV-For­mat unter­stüt­zen. Auch wenn Dritt­pro­duk­te wie Libre­Of­fice Kom­pa­ti­bi­li­täts­mo­di anbie­ten, kann es immer mal zu Pro­ble­men kom­men und Din­ge funk­tio­nie­ren nicht so rei­bungs­los wie gewohnt. Zudem hat sich gera­de auch bei der Zusam­men­ar­beit mit Geschäfts­part­nern Micro­soft in vie­len Berei­chen als Qua­si-Stan­dard eta­bliert.

Was bedeu­tet das nun für poten­zi­el­le Kun­den? Soll man – pro­vo­ka­tiv for­mu­liert – dann kapi­tu­lie­ren und aus­schließ­lich auf die ame­ri­ka­ni­schen IT-Fir­men set­zen? Hier kann man mit einem ganz kla­ren „Nein“ ant­wor­ten. Es gibt für vie­le Berei­che Alter­na­ti­ven mit guter Funk­tio­na­li­tät und guter Bedien­bar­keit. Auch der Aus­tausch mit ande­ren Sys­te­men wird breit unter­stützt. 

Zudem ist es meist kein schwarz oder weiß, kein ent­we­der oder: Vie­le Unter­neh­men ver­bin­den ver­schie­de­ne Ser­vices von unter­schied­li­chen Anbie­tern, um Sicher­heit und Pro­zess­un­ter­stüt­zung best­mög­lich umzu­set­zen. Der mög­li­che Ein­satz von Next­cloud Work­place kann zwar die Kom­ple­xi­tät erhö­hen, ist aber kein Aus­schluss­kri­te­ri­um.

Und – falls das Vor­ha­ben gelingt – kann Next­cloud Work­place ein ers­ter und wich­ti­ger Schritt für mehr Unab­hän­gig­keit und Daten­sou­ve­rä­ni­tät sein. Dass Unter­neh­men auf dem Weg dahin unter Umstän­den auch klei­ne­re Abstri­che akzep­tie­ren und Hür­den aus dem Weg räu­men müs­sen, ist aus unse­rer Sicht ein klei­ner Preis für mehr Unab­hän­gig­keit. Wie in allen Soft­ware­pro­jek­ten gilt aber auch hier: Inter­es­sen­ten müs­sen genau ana­ly­sie­ren, wie die eige­nen Anfor­de­run­gen sind und wel­che Anbie­ter und wel­che Funk­tio­nen in wel­chem Umfang ein­ge­setzt wer­den soll­ten.

Eine sinn­vol­le Ent­wick­lung für den euro­päi­schen Markt

Ins­ge­samt bewer­ten wir das Vor­ha­ben von IONOS und Next­cloud als sehr posi­tiv. Es gibt gute euro­päi­sche Tools – bis­her ist es nur noch nicht gelun­gen, dar­aus ent­spre­chen­de Cloud-Pro­duk­te zu schnü­ren, die für die brei­te Mas­se an Unter­neh­men eine Alter­na­ti­ve bie­ten könn­te. Der Weg, den die bei­den deut­schen Unter­neh­men gehen ist rich­tig. Unab­hän­gig von den Beden­ken gegen­über ame­ri­ka­ni­schen Unter­neh­men belebt Kon­kur­renz das Geschäft. Gewin­ner ist am Ende des Tages der Kun­de.