Von Dr. Martin Böhn
Der Wandel von Kyocera vom reinen Druckspezialist zum Anbieter von verbundenen Hard- und Softwarelösungen geht weiter. Mit Optimal Systems übernimmt die Gruppe einen weiteren ECM-Anbieter.
Optimal Systems und Ceyoniq sind nun Geschwister
Der Wandel von Kyocera vom reinen Druckspezialist zum Anbieter von verbundenen Hard- und Softwarelösungen geht weiter. Mit Optimal Systems übernimmt die Gruppe einen weiteren ECM-Anbieter.
Für Kyocera ist es nach Ceyoniq und Alos ein weiterer Softwarehersteller aus dem Bereich ECM. Damit sollen bessere, durchgängige Lösungen bezogen auf die Geschäftsprozesse angeboten werden können (Erfassung, Verwaltung, Nutzung, Ausgabe), aber auch die Verbindung aus verbundener Hardware, Software und Dienstleistung.
Kyocera erhofft sich neue Kundenschichten und stärkere Kundenbindung
Kyocera Document Solutions setzt damit konsequent weiter seinen Um- und Ausbau fort. Neben Hardware und Hardware-nahen Themen sollen Software und Beratung gesetzt werden, um so den Kunden umfassendere Lösungen bieten zu können. Papier und digitale Arbeitsweisen werden verknüpft. Gleichzeitig versucht man damit die Kundenbindung zu stärken, da eine tiefere Vernetzung mit den Geschäftsprozessen erfolgt.
Kyocera Document Solutions setzt mit der Übernahme konsequent seinen Um- und Ausbau fort.
Betont werden die „technische Integrationskompetenz, die Individualisierung und die Expertise“, also alles Punkte, welche eine projektbezogene enge Verknüpfung mit den Kunden verdeutlichen. Damit möchte Kyocera zusätzliche Einnahmequellen schaffen und seine Wettbewerbsposition stärken, um bestehende Kunden besser zu halten und neue zu gewinnen.
Kyocera hat hierfür bereits einige Zukäufe durchgeführt, auch Canon (IRIS Group) und Ricoh (Docuware) haben schon entsprechende Investitionen getätigt. Allerdings wird aktuell noch nicht deutlich, wie aus den verschiedenen Unternehmen in der Gruppe ein einheitliches, abgestimmtes Gesamtangebot entstehen soll. Oder ob dies überhaupt erfolgen soll, da viele der Unternehmen selbstständig weiter agieren wie Optimal Systems auch. Kyocera Document Solutions wäre nicht der erste Anbieter mit einer Mehr-Marken-Strategie.
Optimal Systems erhält Geld und internationale Strukturen für das Wachstum
Auch aus ECM-Sicht machen die Investitionen Sinn: Für die digitale Transformation und die Internationalisierung sollen viele Anbieter neu aufgestellt werden. Um schnell agieren zu können, wird Geld von außen geholt. Andere Anbieter wie bspw. SER haben Investoren hinzugezogen.
Zudem erhofft man sich neben den finanziellen Mitteln Vorteile aus dem Zugriff auf ein internationales Netzwerk an neuen Kollegen und Partnern.
Bisherige Kyocera-Kunden sollen mit ECM-Angeboten versorgt werden – sofern dies nicht bereits eine andere Kyocera-Tochter gemacht hat. Auch aus dem Angehen der jeweiligen Bestandskunden können so Cross-Selling-Effekte entstehen.
Optimal Systems, Ceyoniq, Alos… nun eine glückliche Familie?
In der Presseerklärung wird die klare Aussage getroffen, dass Optimal Systems „unabhängig bleiben und unverändert weitergeführt“ werden soll. Das wird spannend werden, da sich einige „Familienmitglieder“ Konkurrenz machen. Die neuen Schwestern Ceyoniq, Optimal Systems und Alos haben viele Überschneidungen. Sie agieren häufig als Marktbegleiter und gehen zum Großteil gleiche Kundengruppen an.
Die neuen Schwestern Ceyoniq, Optimal Systems und Alos haben viele Überschneidungen.
Im vorliegenden Fall ist die ruhige, lose Zusammenführung sicher eine gute Vorgehensweise. Optimal Systems hat in den vergangenen Jahren ein starkes Wachstum bei Mitarbeitern und Partnern verzeichnet. Dies und die Strategie mit zwei Systemplattformen erfordert viel Aufwand und Koordination – eine umständliche Integration in den Konzern kann Optimal Systems zum jetzigen Zeitpunkt sicher nicht gebrauchen.
Beispielsweise bei Ceyoniq hat Kyocera schon gezeigt, dass sie es können. Ansprechpartner wurden beibehalten, Produkte und Marktauftritt gestärkt und der eingeschlagene Kurs fortgesetzt.
Kunden müssen sich nicht sorgen – vorerst
Für die Kunden soll sich zunächst einmal nichts ändern. Auch bei zukünftigen Ausschreibungen können die verschiedenen Anbieter weiter aufeinandertreffen – auch wenn sie Teil der gleichen Unternehmensgruppe sind. Ob sich Synergien im technischen Bereich oder beim Voranbringen von Themen ergeben werden, wird sich zeigen.
Bisher ist Kyocera vergleichsweise leise vorgegangen und hat die Töchter relativ selbstständig agieren lassen. Hier hat das teilweise neue Management auch manche gute Idee mitgebracht und in die Unternehmen der Gruppe eingebracht.
Damit bleibt die Frage, wie der angestrebte Wachstumspfad zu beurteilen ist. Auf der einen Seite bietet dieses Wachstum Chancen, noch mehr neue Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Die Kunden können damit von anderen Projekten profitieren. Gleichzeitig wird die Organisation aber größer und die Vorteile der vergleichsweise schnellen Reaktionswege eines mittelständischen Unternehmens können verloren gehen – gerade auch für mittelständische Kunden.
Beim Wachstum nicht die Wurzeln vergessen – ECM muss den Kunden im Blick haben
Durch die digitale Transformation ergeben sich viele neue Chancen für die Unternehmen, die entsprechende Lösungen auch wirklich umfänglich, vernetzt und flexibel anbieten können. Daher bietet diese Investition beiden Seiten die Chance, sich besser zu positionieren. Produkt- und Projektsicht, Standard und Individualisierung, Hardware, Software und Consulting können so verbunden werden.
Aber wenn man vor lauter Visionen den Mittelstand und die bestehenden Partnernetzwerke nicht mehr ausreichend beachtet, wird man kaum erfolgreich sein. Der spannendste Markt bleibt der Mittelstand mit seinen vielen, lukrativen Projekten. Wer so groß wird, dass er nicht mehr zuhört und reagiert, der wird bald merken, dass es immer neue Wettbewerber gibt, die genau diese Flexibilität und neue Lösungsansätze bieten.
Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich diese Übernahme nicht seriös bewerten, da noch zu viele Details zum zukünftigen Marktauftritt unklar sind. Wir bei BARC hoffen aber, dass Optimal Systems auch weiterhin – und nun gestärkt mit einem großen Partner – wichtige Impulse für den ECM-Markt setzt.