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Input ManagementInvoicingMichael Schiklang

E-Rech­nungs­pflicht im B2B-Bereich – wer­den Sys­te­me über­flüs­sig?

24. August 2023

Von Micha­el Schi­klang

E-Rech­nungs­pflicht im B2B-Bereich – wer­den Sys­te­me für die auto­ma­ti­sche Rech­nungs­ein­gangs­be­ar­bei­tung über­flüs­sig?
Immer öfter errei­chen uns Kun­den­an­fra­gen hin­sicht­lich des Vor­ha­bens des Bun­des­fi­nanz­mi­nis­te­ri­ums (BMF) im B2B-Bereich ab dem 01.01.2025 das Aus­stel­len und den Emp­fang von E-Rech­nun­gen ver­bind­lich vor­zu­schrei­ben. Neben all­ge­mei­nen Fra­gen zum Sach­ver­halt wird häu­fig auch hin­ter­fragt, ob Sys­te­me für die auto­ma­ti­sche Rech­nungs­ein­gangs­be­ar­bei­tung / Invoi­cing über­haupt noch Sinn machen, da das Ende der Papier­rech­nun­gen im Geschäfts­um­feld nun doch abseh­bar wäre. Zur Beant­wor­tung der Fra­ge ist es wich­tig, sowohl die Inhal­te des Vor­ha­bens als auch die Funk­ti­ons­wei­se moder­ner Lösun­gen zu betrach­ten.

Hin­ter­grün­de und Vor­ha­ben des BMF

Die EU-Kom­mis­si­on hat die Initia­ti­ve „VAT in the Digi­tal Age“ (ViDA) initi­iert. Die­se beschäf­tigt sich mit der Moder­ni­sie­rung des Mehr­wert­steu­er­sys­tems in Euro­pa. Ziel ist es, das Sys­tem der Mehr­wert­steu­er zu ver­ein­fa­chen und den Schutz vor mög­li­chem Mehr­wert­steu­er­be­trug zu erhö­hen. Neben der elek­tro­ni­schen Mel­de­pflicht sowie ein­heit­li­chen EU-wei­ten Vor­ga­ben für die Regis­trie­rung der Mehr­wert­steu­er, soll die elek­tro­ni­sche Rech­nungs­stel­lung im Sin­ne von E-Rech­nun­gen für alle grenz­über­schrei­ten­den Umsät­ze in der EU ab dem 01.01.2028 ver­pflich­tend wer­den.

Das BMF beab­sich­tigt dar­über hin­aus die ver­pflich­ten­de elek­tro­ni­sche Rech­nungs­stel­lung im Sin­ne von E-Rech­nun­gen inner­halb von Deutsch­land ab dem 01.01.2025 ein­zu­füh­ren. Betrof­fen sind nur inlän­di­sche B2B-Umsät­ze zwi­schen Unter­neh­men, die in Deutsch­land ansäs­sig sind. Hier­zu hat das BMF bereits einen Dis­kus­si­ons­ent­wurf an Wirt­schafts­ver­bän­de geschickt. Inzwi­schen wur­den die Vor­schlä­ge in den Refe­ren­ten­ent­wurf des Wachs­tums­chan­cen­ge­set­zes über­nom­men und zum Teil kon­kre­ti­siert. In die­sem Zuge wur­den auch Über­gangs­fris­ten defi­niert: So kön­nen bis zum 31.12.2025 wei­ter­hin auch Rech­nun­gen in ande­ren For­ma­ten (Papier, PDF etc.) gestellt wer­den. Zudem dür­fen für Umsät­ze bis Ende 2027 nach Abspra­che der Geschäfts­part­ner wei­ter­hin EDI-Ver­fah­ren ver­wen­det wer­den. Ab dem 01.01.2028 müs­sen dann alle E-Rech­nun­gen ent­spre­chend der CEN-Norm 16931 gestellt wer­den. Aus­ge­nom­men sind Rech­nun­gen mit sehr klei­nen Beträ­gen und Fahr­ti­ckets – die­se dür­fen nach wie vor auch in Papier­form gestellt wer­den. Zum aktu­el­len Zeit­punkt (Stand Mit­te August 23) ist das Gesetz noch nicht ver­ab­schie­det. Unab­hän­gig von dem Zeit­punkt der Geset­zes­ver­ab­schie­dung und der genau­en Aus­ge­stal­tung ist abzu­se­hen, dass die elek­tro­ni­sche Rech­nungs­stel­lung im Sin­ne von E-Rech­nun­gen ver­bind­lich inner­halb von Deutsch­land und für grenz­über­schrei­ten­de Leis­tun­gen in der EU kom­men wird.

Sys­te­me für die auto­ma­ti­sche Rech­nungs­ein­gangs­be­ar­bei­tung

Moder­ne Lösun­gen für die auto­ma­ti­sche Rech­nungs­ein­gangs­be­ar­bei­tung besit­zen ver­schie­de­ne Werk­zeu­ge für die Umset­zung des Sze­na­ri­os. Am Anfang des Pro­zes­ses wer­den die Rech­nun­gen erfasst. Papier­rech­nun­gen wer­den dabei gescannt und digi­ta­li­siert, bereits in elek­tro­ni­schen For­ma­ten vor­lie­gen­de Rech­nun­gen wer­den in das Sys­tem impor­tiert.

Abhän­gig von dem Rech­nungs­for­mat durch­lau­fen die Rech­nun­gen unter­schied­li­che Auf­be­rei­tungs­stu­fen. Gescann­te Papier­rech­nun­gen und Rech­nun­gen in Bild­for­ma­ten wer­den mit­tels Tex­terken­nungs­kom­po­nen­ten (OCR) ana­ly­siert und der Voll­text­in­dex erstellt. Die­ser ist Grund­la­ge für die wei­te­re Ver­ar­bei­tung. Bei PDF-Rech­nun­gen dage­gen ist der Voll­text­in­dex in der Regel schon vor­han­den, die­se müs­sen nicht der Tex­terken­nung unter­zo­gen wer­den. Die Ana­ly­se­kom­po­nen­te liest die fak­tu­rie­rungs­re­le­van­ten Infor­ma­tio­nen (Rech­nungs­da­tum, Lie­fe­ran­ten­stamm­da­ten, Beträ­ge etc.) von den Rech­nun­gen aus und legt die­se in einem struk­tu­rier­ten Daten­satz ab, wel­cher Grund­la­ge für die inhalt­li­che Bear­bei­tung ist. Im Fal­le von Unsi­cher­hei­ten oder Extrak­ti­ons­feh­lern sen­det die Ana­ly­se­kom­po­nen­te die betrof­fe­nen Rech­nun­gen an einen Nach­be­ar­bei­tungs­platz zur manu­el­len Kor­rek­tur. Elek­tro­ni­sche struk­tu­rier­te Rech­nun­gen (z. B. XRech­nun­gen) müs­sen weder von der OCR noch der Ana­ly­se­kom­po­nen­te ver­ar­bei­tet wer­den, da die­se die rech­nungs­re­le­van­ten Infor­ma­tio­nen schon als struk­tu­rier­te Daten­sät­ze zur Ver­fü­gung stel­len, wodurch eine direk­te Ver­ar­bei­tung mög­lich ist.

Im Rah­men der inhalt­li­chen Bear­bei­tung wer­den die Rech­nun­gen sowie die Rech­nungs­da­ten an die füh­ren­den Lösun­gen über­ge­ben. Die Mit­ar­bei­ten­den aus dem Finanz­be­reich sehen über das Rech­nungs­ein­gangs­buch / den Rech­nungs­mo­ni­tor eine Über­sicht aller ein­ge­gan­ge­nen Rech­nun­gen. Pro Rech­nun­gen wer­den wich­ti­ge Rech­nungs­in­for­ma­tio­nen und der Ver­ar­bei­tungs­sta­tus ange­zeigt. Die Prü­fung der Rech­nun­gen erfolgt digi­tal über Work­flow-Tools. Die­se steu­ern die Pro­zes­se, kön­nen auto­ma­tisch Prüf­schrit­te umset­zen und die Mit­ar­bei­ten­den als Prü­fer ein­bin­den. Bei Rech­nun­gen ohne Bestell­be­zug erfolgt die Prü­fung im Stan­dard über die ver­ant­wort­li­chen Mit­ar­bei­ten­den. Bei Rech­nun­gen mit Bestell­be­zug kann bei posi­ti­ven auto­ma­ti­schen Prü­fun­gen (Rech­nungs­kon­di­tio­nen und Men­gen ent­spre­chen den Bestell­kon­di­tio­nen und die Waren / Dienst­leis­tung wur­de im Waren­ein­gang erfasst) eine voll auto­ma­ti­sche Ver­bu­chung vor­ge­nom­men wer­den, alter­na­tiv kann natür­lich auch noch ein Mensch die fina­le Prü­fung vor­neh­men. Im Fal­le von Abwei­chun­gen (z.B. Bestell­preis ent­spricht nicht dem Rech­nungs­preis) löst das Sys­tem Klär­work­flows aus, wel­che die ent­spre­chen­den Mit­ar­bei­ten­den (z.B. Ein­käu­fer bei Preis­ab­wei­chun­gen) adres­siert. Am Ende der Pro­zess­be­ar­bei­tung erfolgt die Ver­bu­chung oder die Ableh­nung der Rech­nung.

Aus­wir­kun­gen von ViDA und natio­na­len Initia­ti­ven auf die auto­ma­ti­sche Rech­nungs­ein­gangs­be­ar­bei­tung

Die ViDA-Initia­ti­ve hat (unter ande­rem) zum Ziel, dass ab dem Jahr 2028 nur noch E-Rech­nun­gen im grenz­über­schrei­ten­den B2B-Geschäfts­um­feld in der EU zuläs­sig sind. Das BMF strebt ab 2025 ein Pflicht für E-Rech­nun­gen für Inlands­um­sät­ze zwi­schen in Deutsch­land ansäs­si­gen Unter­neh­men an, gewährt aber vor­aus­sicht­lich Über­gangs­fris­ten. Was bedeu­tet das nun für die Effi­zi­enz von Lösun­gen für die Rech­nungs­ein­gangs­be­ar­bei­tung und den ent­spre­chen­den Soft­ware­markt? Machen die Sys­te­me dann über­haupt noch Sinn?

Ja, der Ein­satz von moder­nen Sys­te­men für die Rech­nungs­ein­gangs­be­ar­bei­tung bringt auch im Zusam­men­hang mit E-Rech­nun­gen gro­ße Vor­tei­le. Ledig­lich auf der Ein­gangs­sei­te und den ent­spre­chen­den Auf­be­rei­tungs­schrit­ten erge­ben sich durch den Weg­fall von Papier und PDF-Rech­nun­gen Ände­run­gen. E-Rech­nun­gen ent­hal­ten struk­tu­rier­te Daten­sät­ze – es ist somit nicht mehr not­wen­dig eine Tex­terken­nung und eine Inhalts­ex­trak­ti­on durch­zu­füh­ren. Aller­dings müs­sen E-Rech­nun­gen genau wie alle ande­ren Rech­nun­gen inhalt­lich über­prüft wer­den. Die struk­tu­rier­te Über­mitt­lung garan­tiert ledig­lich, dass es kei­ne Inter­pre­ta­ti­ons­feh­ler bezüg­lich der über­mit­tel­ten Rech­nungs­da­ten gibt, aber nicht, dass die Rech­nungs­in­hal­te auto­ma­tisch kor­rekt sind. Für die inhalt­li­che Prü­fung bie­ten moder­ne Sys­te­me aus­ge­reif­te Werk­zeu­ge wie Work­flows, Kor­re­spon­denz­ma­nage­ment und die Rech­nungs­mo­ni­to­re an.

E-Rech­nun­gen hel­fen bei der Beschleu­ni­gung der Pro­zess­be­ar­bei­tung und eli­mi­nie­ren mög­li­che Feh­ler­quel­len bei der Erfas­sung und Ana­ly­se der Rech­nungs­in­hal­te, wodurch sich in Kom­bi­na­ti­on mit moder­nen Lösun­gen für das Input Manage­ment der Auto­ma­ti­sie­rungs­grad wei­ter stei­gern lässt.

Macht ein Pro­jekt­start dann aktu­ell Sinn?

Immer wie­der wer­den wir mit der Über­le­gung von Inter­es­sen­ten für Lösun­gen für das Invoi­cing kon­fron­tiert, Pro­jek­te aktu­ell nicht durch­zu­füh­ren und dar­auf zu war­ten, dass die E-Rech­nung im B2B-Umfeld ver­pflich­tend wird. Natür­lich kann man über­le­gen, das Pro­jekt zeit­lich wei­ter in der Zukunft zu ter­mi­nie­ren, aller­dings ver­zich­tet man dann auf die vie­len Vor­tei­le, die moder­ne Lösun­gen den Unter­neh­men bie­ten. Gera­de die digi­ta­le und sys­tem­ge­stütz­te Umset­zung der Bear­bei­tungs­pro­zes­se sowie die Ein­füh­rung der wei­ter­füh­ren­den Werk­zeu­ge für die Finanz­buch­hal­tung sind kom­plett unab­hän­gig von den Ein­gangs­for­ma­ten der Rech­nun­gen und benö­ti­gen im Rah­men der Kon­zep­ti­ons­pha­se auch die meis­te Zeit. Inso­fern macht es grund­sätz­lich schon jetzt Sinn die Pro­jek­te zu star­ten – nur das antei­li­ge Volu­men der Ein­gangs­for­ma­te wird sich ändern.

Tipps für Bestands­kun­den und Inter­es­sen­ten für moder­ne Lösun­gen für die auto­ma­ti­sche Rech­nungs­ein­gangs­be­ar­bei­tung

Was bedeu­tet die­se Ent­wick­lung kon­kret für Kun­den und Inter­es­sen­ten von Lösun­gen für das Invoi­cing und wel­che Aspek­te sind dabei zu beach­ten?

Bestand­kun­den soll­ten mit den Anbie­tern ihrer Lösung spre­chen und klä­ren, ob die Adap­ter / Modu­le zur Erfas­sung und Ver­ar­bei­tung von E-Rech­nun­gen schon lizen­siert und ggf. auch instal­liert wur­den. Falls nicht, soll hier das Vor­ha­ben früh­zei­tig geplant und zusam­men mit dem Anbie­ter der Lösung ein ent­spre­chen­des Teil­pro­jekt ter­mi­niert wer­den. Zudem soll­te kri­tisch das lizen­sier­te Extrak­ti­ons­vo­lu­men betrach­tet wer­den – also die maxi­ma­le fest­ge­leg­te Anzahl von Rech­nun­gen, die pro Jahr im Rah­men der Inhalts­ana­ly­se ver­ar­bei­tet wer­den kann. Sobald die E-Rech­nun­gen im B2B-Umfeld ver­pflich­tend wer­den, sinkt das Volu­men, das über die­se Kom­po­nen­te ver­ar­bei­tet wird, dras­tisch. Hier soll­te man recht­zei­tig abklä­ren, ob man das lizen­sier­te Volu­men redu­zie­ren kann oder ob even­tu­ell eine Ver­rech­nung der gezahl­ten Lizen­zen mit ande­ren Leis­tun­gen erfol­gen kann.

Unter­neh­men, die aktu­ell ein Pro­jekt durch­füh­ren oder in Kür­ze die Pro­jekt­um­set­zung begin­nen, soll­ten früh­zei­tig das The­ma E-Rech­nun­gen und die zu erwar­ten­den Vor­ga­ben im Rah­men der Geset­ze im Pro­jekt adres­sie­ren und mit den Anbie­tern bespre­chen. Zudem soll­te mit dem Anbie­ter aus­ge­han­delt wer­den, dass das lizen­sier­te Volu­men für die Extrak­ti­ons­kom­po­nen­te ange­passt wer­den kann, sobald die E-Rech­nung flä­chen­de­ckend und ver­pflich­tend im B2B-Umfeld Anwen­dung fin­den. So wird ein schnel­ler und auf­wand­ar­mer Über­gang gewähr­leis­tet.